Der allstimmige Beschluss

Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat in weiten Bereichen Beschlusskompetenz, das bedeutet, sie kann ihre Verwaltungsangelegenheiten in einer Wohnungseigentümerversammlung durch eine  Beschlussfassung regeln. Dazu gehören beispielsweise die Jahresabrechnung, der Wirtschaftsplan oder die Bestellung oder Abberufung eines Verwalters. Eine Ausnahme zu dieser Beschlusskompetenz sind die gesetzlichen Bestimmungen zur Gemeinschaftsordnung oder bestehende Vereinbarungen in der Teilungserklärung. Diese können nicht einfach im Rahmen einer Wohnungseigentümerversammlung geändert werden.

Bei einer Abstimmung gilt üblicherweise der einfache Mehrheitsbeschluss. Ein einfacher Mehrheitsbeschluss kommt zustande, wenn die Teilnehmer an der Versammlung mehr Ja- als Nein-Stimmen für einen Beschlussantrag abgeben. Bei bestimmten Verwaltungsangelegenheiten ist jedoch Einstimmigkeit oder gar Allstimmigkeit notwendig.

Einstimmigkeit oder Allstimmigkeit – was ist der Unterschied?

Die Einstimmigkeit ist gegeben, wenn alle auf der Eigentümerversammlung anwesenden Eigentümer oder auch anwesende gültig bevollmächtigte Eigentümer-Vertreter einem Antrag zustimmen.

Die Allstimmigkeit ist gegeben, wenn alle im Grundbuch eingetragenen Eigentümer einem Antrag zustimmen. Für einen allstimmigen Beschluss müssen bei einer Eigentümerversammlung wirklich alle Eigentümer anwesend oder rechtlich gültig vertreten sein und dem Antrag zustimmen.

Wann ist Allstimmigkeit notwendig?

Allstimmigkeit ist notwendig für jene Gebrauchsregelungen und Verwaltungsmaßnahmen, welche über den ordnungsgemäßen Gebrauch hinausgehen oder welche bauliche Veränderungen betreffen, die sich erheblich auf alle Wohnungseigentümer auswirken.

Konkrete Beispiele dazu sind

  • eine Änderung von Teilungserklärung oder Teilungsvertrag
  • die Begründung, Einschränkung oder Entzug von Sondernutzungsrechten
  • eine Veränderung des Zwecks von Gemeinschaftseigentum
  • das Montieren einer Mobilfunksendeanlage am Dach einer Wohnanlage
  • die Änderung der Stimmrechtsverteilung bei der Eigentümerversammlung, beispielsweise vom Kopf- zum Wertprinzip
  • eine nachträgliche Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum
  • die Änderung der Beschlussfähigkeit in der Eigentümerversammlung
  • eine Einschränkung der gemäß Teilungserklärung zulässigen gewerblichen Nutzung von Teileigentum
  • allfällige schriftliche Beschlussfassungen

Allstimmigkeit nur noch bei wichtigen Maßnahmen

Eine Novelle des Wohnungseigentumsrechts vom 1. Juli 2007 stärkt die Mehrheitsentscheidungen bei Beschlüssen von Eigentümern einer Wohnanlage und verlangt Allstimmigkeit nur noch in sehr wenigen oben aufgelisteten Bereichen.

Bauliche Maßnahmen, die keine wesentlichen Veränderungen im Charakter des Gebäudes mit sich bringen, können nun auch dann durchgeführt werden, wenn nicht alle Miteigentümer damit einver­standen sind, sondern nur drei Viertel der Eigentümer zustimmen, die zugleich aber mehr als die Hälfte des Wertes der Immobilie vertreten (doppelt qualifizierte Mehrheit).Vor allem alltägliche Belange des Tagesgeschäftes oder Modernisierungsmaßnahmen, die langfristig den Wert der Immobilie erhalten oder steigern, sind davon betroffen. Auch in diesen Fällen galt vor 2007 oft zumindest das Erfordernis der Allstimmigkeit.

Warum wurde das Gesetz geändert?

Das Prinzip der Allstimmigkeit wurde geändert, weil gerade in größeren Wohn­anlagen oft zwingend erforderliche Modernisierungsmaßnahmen ausblieben, wenn sich einer oder wenige Wohnungseigentümer gegen die Maßnahmen sträubten. Investoren, die den lang­fristigen Erhalt der Immobilie im Hinterkopf hatten, wurden deshalb aus verschiedenen Gründen ausgebremst. Die Folge: Modernisierungen unterblieben, der Wert der einzelnen Wohnungen sank, sie mussten auf dem Immobilienmarkt billiger angeboten werden, und unter Umständen erlebte das ganze Wohnviertel einen sozialen Abstieg.

Modernisierungsmaßnahmen wie eine neue Heizung, Wärmedämmung und andere ökologisch wertvolle Maßnahmen können nun auch gegen das Veto einzelner Wohnungseigentümer durchgeführt werden. Das Gesetz kann also als eine Maßnahme zur aktiven Städtebauförderung gesehen werden.

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